Kategorie: Russlanddeutsche Geschichte

Russlanddeutsche Geschichte als Bestandteil des Dortmunder Lokalpatriotismus

10. September 1721 – die Hauptzäsur der russlanddeutschen Geschichte

 

Das Volk hat die Geschichte, die von ihm aufbewahrt wird

Am 10. September 1721 unterzeichnete der gebürtige Bochumer Heinrich Johann Friedrich Graf Ostermann (* 1687; † 1747) im Namen des Zaren Peter I. den Friede von Nystad1), der den 20jährigen Krieg (1700 – 1721) beendete, und Livland, vertreten durch die Livländische Ritterschaft des Deutschen Ordens2) vereinigte sich mit dem Zarentum Rus3). Das war die Gründungsstunde des neuen geopolitischen Systems Eurasiens – des Imperiums der Rossen4). Damit war auch der andauernde gemeinsame Kampf gegen das türkische Osmanische Reich und seine Satteliten5), der durch die vielen ruhmreichen Daten gekennzeichnet ist, gekrönt.

 

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zählten die osteuropäischen Chroniken 43 Einfälle der Krimtataren6). Der Sultan des Osmanischen Reiches Selim II. (* 1524; † 1574) plante selbst die Eroberung des Zarentums Rus und forderte aus diesem Grund die erneute Unterstützung des Krimkhanats. Polen und Litauen verbündeten sich mit dem Sultan. 1570 fielen die Krimtataren ins Moskowien7) ein. Im folgenden Jahr durchbrach das Tatarenheer die Stellungen an der Oka und brannte vom 24. bis zum 26. Mai 1571 Moskau fast vollständig nieder. Danach verlangte der Krimkhan Devlet I. Giray (* 1512; † 1577) die gehorsame Unterwerfung des Zarentums, das seit der Eroberung von Konstantinopel (29. Mai 1453) die Ostfront des christlichen Widerstandes gegen die türkischen Invasionen darstellte. Der Zar Johannes IV. (* 1530; † 1584) war schon bereit, nachzugeben und das größte Teil seiner Besitzungen dem Osmanischen Reich und dem Krimkhanat abzutreten. Solche Kapitulationsbereitschaft erschrak die Deutschen. Die Gräuel der türkischen Feldzuge gegen das Abendland und der Belagerung von Wien (1529) waren noch in der frischen Erinnerung gewesen. Die deutschen Ritter (nach einigen Angaben bis zu 7.000), die meistens aus Livland stammten, kamen zur Hilfe. In der Schlacht bei Molodi (Битва при Молодях)8), die zwischen dem 26. Juli und dem 2. August 1572 ereignete, zerschlag das verbündete christliche Heer (ca. 20.000 Mann), dank ihren Militärkompetenzen, den fünffach zahlenmäßig überlegenen Gegner (ca. 125.000 Mann). Das war der Beginn des Niederganges des Krimkhanats. Von nun an, schützten auch die Deutschen die gemeinsame Ostgrenze des Christentums9). Der lutherische Glaube wurde im Zarentum geduldet und der Militärdienst im Zarentum bot den Deutschen auch die lukrativen Perspektiven an. Den Offizieren und einfachen Verhauliniekriegern10) wurde guter Sold vom Zarenschatz entrichtet. Für den zuverlässigen Dienst wurden ihnen auch die Bodenanteile mit Leibeigenen in der fruchtbaren Schwarzerdezone Osteuropas, die von dem Osmanischen Reiche befreit worden war, zugeteilt. Aus diesen Menschen kristallisierte sich im Laufe der 16 -18 Jahrhunderte die kreative Elite des Zarentums Rus bzw. des Imperiums der Rossen heraus.

1606 kam zu Ende der Lange Türkenkrieg11). Eine einmalige Zahlung von 200.000 Gulden beendete den bis dahin jährlich den Türken zu zahlenden Tribut der Deutschen. Der Sultan musste den Deutschen Imperator erstmals als gleichberechtigten Verhandlungspartner anerkennen. Dennoch schon ein Jahr zuvor schalteten sich die Verbündeten der Türken – die Polen in die permanente Auseinandersetzung mit der friesisch-rheinischen Dynastie der Rurikiden12) ein. Und diesmal als vermeintlicher Garant der Erbrechte dieser Dynastie! 1605 nahmen die Polen Moskau ein und setzten ihren Schützling Pseudodimitri I.13) auf den Zarenthron. Als dieser 1606 vom aufgestandenen Volk ermordet worden war, ließen die Polen ihren zweiten Protegé, den zweiten falschen Dimitri14), zum Zaren krönen. 1607, zum ersten Mal seit der Niederlage auf dem Schlachtfeld bei Molodi (1572), durchbrachen die Krimtataren die Verteidigungsstellungen an der Oka und verwüsteten die Gebiete, die dem polnischen König die Eidesleistung verweigerten15). Die Bojaren16) und das Volk riefen ihre Nachbarn – die livländischen deutschen Ritter um Hilfe an. Ein Teil der Ritter stellte sich nach dem Livländischen Krieg (1558 - 1583) der schwedischen Krone unter und für ein solches Unternehmen die Einwilligung des schwedischen Königs bedurfte. Der Titularkönig von Schweden, Sigismund III. Wasa, der von 1587 bis 1592 auch das gewählte Staatsoberhauptsamt von Polen-Litauen inne hatte, stimmte unter bestimmten Vorbedingungen17) zu. Der in Reval18) geborene Graf Jakob Pontusson De La Gardie von Läckö19) war an die Spitze des Heeres eingesetzt, das die Polen bei ihrem Vormarsch aufhalten sollte. Zusammen mit dem Zarenheer, das von Michail Wassiljewitsch Skopin-Schuiski (Михаил Васильевич Скопин-Шуйский; 1586; † 1610) geführt wurde, zerschlagen die Deutschen die Polen bei Twer und befreiten das Kloster der Dreifaltigkeit und des Heiligen Sergius20).

Am 10. März 1610 marschierten die Alliierten feierlich ins Moskau ein, wo sie von der Bevölkerung mit Brot-und-Salz-Gabe begeistert bejubelt wurden. Am 18. März, in der von den Polen befreiten Hauptstadt, gab der zurückgekehrte Zar Wassili IV. Iwanowitsch Schuiski (Василий Иванович Шуйский; * 1552; † 1612) das fürstliche Festmahl zu Ehren von De La Gardie und seinen deutschen Rittern…

21)

Allerdings, Ende des 17. Jahrhunderts war auch für die Polen die Gefahr von den Türken erobert zur unheildrohenden Wirklichkeit geworden und das deutsch-polnische Entsatzheer unter der Führung des polnischen Königs Johann III. Sobieski (* 1629; † 1696) rettete die vom 14. Juli bis 12. September 1683 belagerte Hauptstadt des Deutschen Imperiums22)- Wien in der Schlacht am Kahlenberg.23) Der Versuch des Osmanischen Reiches Wien zu erobern und das Tor nach Zentral- bzw. Westeuropa aufzustoßen, hat gescheitert. Dennoch der Große Türkenkrieg24) dauerte noch fast anderthalb Jahrzehnt. Im Frieden von Karlowitz (26. Januar 1699) musste sich das Osmanische Reich erstmals von den christlichen Mächten (Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation, Polen-Litauen, Republik Venedig, Kirchenstaat sowie Zarentum Rus) Friedensbedingungen diktieren lassen.

Danach wurden die Schweden durch die geschickten Intrigen in den permanenten Krieg hineingezogen, dessen Anfang für den jungen Zaren Peter I. (1672; † 1725) eine katastrophale Wendung nahm. In der Schlacht bei Narva (20. November 1700), schlug der noch jüngere schwedische König Karl XII. (*1682; † 1718) die zahlenmäßig weit überlegene Zarenarmee vernichtend. Die schwere taktische Niederlage des Zarenheers bei Narva beinhaltete zugleich den Samen des späteren Erfolgs. Peter I. lernte aus seinem Misserfolg. Er forcierte die Schwerindustrie zur Herstellung des damals modernsten Kriegsgerätes. Mit Hilfe u. a. deutscher Fachleute reformierte und vergrößerte der Zar die veraltete Armee bis 1705 auf 200.000 Soldaten und machte sie den modernen Armeen Europas ebenbürtig. In der Schlacht bei Poltawa (8. Juli 1709) wurde die schwedische Hauptarmee völlig vernichtet und Karl XII. floh zu den Türken, wo er fünf Jahre aufhielte.

Dennoch 1711 musste die Armee des Zaren, der auf die Solidarität der slawischen Völker im Kampf gegen das Osmanische Reich vergeblich gehofft und auf Anraten seiner Generäle25) verzichtet hatte, eine ernüchternde Niederlage hinnehmen. Nur das Wohlwollen26) des oberbefehlshabenden Großwesirs des Osmanischen Reiches, Baltajı Mehmed Pascha (* 1662; † 1712), der die Zarenarmee einschloss, rettete den Zaren und seine heimliche Gemahlin Jekaterina Alexejewna (zukünftige Imperatorin Katharina I.) von der erniedrigenden Gefangennahme. Zur Milderung der Bedingungen des nachfolgenden Friedens vom Pruth (23. Juli 1711) trugen auch die von Peter Pawlowitsch Schafirow (* 1669; † 1739), Boris Petrowitsch Scheremetew (* 1652; † 1719) und des jungen Diplomaten Heinrich Johann Friedrich Ostermann (* 1687; † 1747) geschickt durchgeführten Verhandlungen bei.

Es kann der historischen Logik zugeschrieben werden, dass der in vernunftbedingten familiären Verhältnissen erzogene Reformator und Gestalter des euroasiatischen geopolitischen Raums Heinrich Johann Friedrich Ostermann in Westfalen, in der Wiege des Pioniergeistes, dem die Europäer die Erschließung der großen Flächen von Sibirien und Mittelasien zu verdanken sind, geboren wurde.

Die Ostermanns gehörten zur gebildeten Elite der Stadt Bochum. Der Urgroßvater Matthäus hatte Jura studiert, er war zweimal zum Bochumer Bürgermeister erkoren. Sein Großvater und Vater Johann Conrad Ostermann waren lange Jahre Pfarrer an der evangelischen Pauluskirche gewesen.

27)
Als Ostermanns Wohnhaus gilt heute das Brauhaus Rietkötter
Große Beckstr. 7, 44787 Bochum

1699 bezog Heinrich Johann Friedrich Ostermann das Archigymnasium in Soest, wo er in die III. (vorletzte) Klasse aufgenommen wurde. Am 25. Oktober 1700 verließ Ostermann die Soester Lehranstalt, um seinen Schulbesuch am Dortmunder Archigymnasium fortzusetzen, wo er von seinem Vater bei Herrn Hiltrop ins „Logement“ gesteckt wurde.

 

28)

Dortmunder Archigymnasium um 1610

29)

Das Haus „Zum Vogel“ am Westenhellweg
in seiner letzten baulichen Gestalt. Es
beherbergte das Archigymnasium
von 1459 bis 1863

 

30)

Das Dortmunder Gymnasium am Neutor
Blick von Osten her um 1910

Stadtgymnasium Dortmund 2013
Heiliger Weg 25, 44135 Dortmund

 Vom Ende Oktober 1700 bis Mitte April 1701
ging Heinrich Ostermann im Archigymnasium zu Dortmund zur Schule

 

Am 21. April 1701 kehrte Heinrich Ostermann nach Soest zurück. Dort wurde er Schüler der obersten (II.) Klasse. Der Grund für diesen zweimaligen Schulwechsel war wahrscheinlich der Fall des Magisters Johannes Solms, Lehrer des Soester Archigymnasiums seit 1698. Dieser war wegen Auseinandersetzungen um die Lehrdeputate innerhalb der Kollegschaft suspendiert worden und nach Dortmund gegangen. Einige seiner Schüler folgten ihm dorthin, um nach seiner Rehabilitierung und Neueinstellung in Soest mit ihm zurückzukehren. Ostermann gehörte zu dem Schülerkreis um Solms31).

Am 9. September 1702 schrieb Heinrich Ostermann sich an der Jena Universität ein. Das studentische Leben an der Universität Jena wurde durch zwei grundlegenden Widersprüchen ausgeprägt:
- die Jena Universität sollte die Ausbildung der zukünftigen Juristen, Lehrern und besonders  der Geistlichen dem lutherischen Augsburgischen Bekenntnis32) gemäß, sicherstellen
- anderseits, wurde die Universität von dem altsächsischen Uradel von Wettiner protegiert, dessen Vertreter Friedrich August I., häufig als August der Starke (* 1670; † 1733) genannt, ab 1696 das katholische Polen regierte.  
Diese äußerst schwer zu vereinbaren Widersprüche und verschiedene andere Auseinandersetzungen zwischen landsmannschaftlichen Gliederungen und ideologisierten Zusammenschlüssen könnten Anlässe zu Raufereien und Duellen gegeben haben, die damals und auch später eine Norm der studentischen Sittlichkeit waren. Nicht selten kam es bei diesen Gefechten zu Todesfällen. An der Wende des XVIII Jahrhunderts wurden die Schuldigen strafrechtlich verfolgt.

33)
Johann Georg Puschner der Ältere (*1680; † 1749)
Der raufende Student

Am 4. Mai 1703 ereignete sich im Studentenlokal ‚Zur Rose` (Johannisstr. 13, 07743 Jena) ein Zwischenfall, der das Schicksal Ostermanns und nachträglich vielleicht auch die geopolitische Gestaltung Eurasiens verändern sollte. Nachts um halb zwölf „im Affekt, aus gekränkter Eitelkeit und „in großer Trunkenheit“ erstach Ostermann einen seinen Kommilitonen. Ostermann war damals noch keine 16 Jahre alt.

Um sich der polizeilichen Verhaftung entziehen zu können, floh der junge Ostermann logischerweise via Amsterdam nach Russland, wo, dank der Zarenobhut, die lutherischen Gemeinden große Freiheiten genossen.

Als vertrauter Dolmetscher und befähigter Höfling gelang es Ostermann dem Zaren und Reformator Peter I. dem Großen (* 1672; † 1725, Imperator ab 1721) nahe zu stehen. Der Große Nordische Krieg (1700 – 1721) gab Ostermann die Möglichkeit seine diplomatischen Talente an den Tag zu bringen.

Der Friede vom Pruth (23. Juli 1711) war der Anfang und der Frieden von Adrianopel (16./27. Juni 1713) war die Sternstunde der erfolgreichen Staatskarriere von Heinrich Ostermann. Die von Peter Schafirow (* 1669; † 1739) und Heinrich Ostermann vorbereiteten und geschickt durchgeführten Verhandlungen fesselten die kriegerischen Ambitionen des Osmanischen Reiches, was den Zorn des Sultans Ahmed III. (* 1673; † 1736) entfesselte. Der Bote, der die Friedensnachricht überbrachte, wurde geköpft, der Großwesir Baltajı Mehmed Pascha, der ihn unterschrieben hatte, wurde wegen der Bestechlichkeit beschuldigt und abgesetzt. Dennoch wurde der Krieg nicht wiederaufgenommen.

Nach der Seeschlacht von Hanko (27. Juli 1714) - dem ersten bedeutenden Sieg in der Geschichte der zaristischen Marine schaltete sich Heinrich Ostermann in die Auslegung der Kriegsführungsstrategie ein. Er warnte den Zar vor weiteren blutvergießenden Unternehmen, indem er prophezeite: „Der schwedische König ist offensichtlich geistig gestört und er strebt nur nach Militärabenteuer. Er führt sein Land dem Ruin entgegen und das Volk will den Frieden. Der schwedische König, seinem Wagemut nach zu urteilen, kann bald getötet werden. Er ist kinderlos und die Adelsfamilien, die den schwedischen Thron beanspruchen können, werden mit Eurer Majestät den Frieden suchen und Livland preisgeben.“34)

Am 11. Dezember 1718 gegen 21 Uhr beobachtete Karl XII, der sich bei der Belagerung der norwegischen  Festung Fredrikshald35) ständig in den vordersten Linien befand und beim Schanzen mithalf, den Beschuss aus der belagerten Festung. Seine Silhouette zeichnete sich deutlich an dem von Leuchtkugeln erhellten Nachthimmel ab. Mit den Worten „Seid unbesorgt“ stieg er auf eine Schanze und sank wenige Sekunden später zusammen – ein Geschoss hatte seine linke Schläfe durchschlagen…

Heinrich Ostermann übernahm die Verantwortung für die Vorbereitung des Friedensvertrags mit Schweden, den er am 10. September 1721 in der finnischen Stadt Nystad eigenhändig unterschrieb. Das von den deutschen Ritterschaften geführte Livland war zum wichtigsten Bestandteil des in der Folge des Friedens von Nystad entstandenen neuen geopolitischen Systems Eurasiens – des Imperiums der Rossen geworden und bis zum Anfang des 1. Weltkrieges (1914 – 1918) diente als Vorbild für andere Gouvernements Imperiums.

Auszug aus dem Wortlaut des Friedens von Nystad

Heinrich Ostermann wurde zum Freiherrn und Geheimrat und 1725 zum Reichsvizekanzler ernannt.

Die Zeitgenossen schrieben Heinrich Ostermann die aktive Teilnahme an der Gründung der Sankt Petersburger Akademie der Wissenschaften zu. Die aus Livland stammende Imperatorin Katharina I. (1684; † 1727) befahl „unserem Herrn von Ostermann, ferner das nötigste mit deshalber veranstalten zu helfen; besonders aber noch mehr gelehrte Leute, aus Teutschland u. andern Reichen, zu Professoren u. Mitgliedern dieser neuen Academie auszusuchen, und unter ansehnlichen Pensionen nach Petersburg zu ziehen“36) Für eine bestimmte Zeit standen der Sankt Petersburger Akademie der Wissenschaften die Ostermanns Protegés - Baron Johann Albrecht Korff (1734 – April 1740) und Baron Karl von Brevern (April 1740 – April 1741) - vor.

Katharina I. bestimmte Ostermann auf dem Sterbebett zum Oberhofmeister und zum Mitglied des Regentschaftsrats während der Minderjährigkeit ihres Nachfolgers Peter II. (1715; † 1730). Im Jahre 1727 wurde er zum Generalpostdirektor bestimmt.

1730 erhob die den Thron bestiegene Imperatorin Anna Iwanowna (1693; † 1740) Heinrich Ostermann in den erblichen Grafenstand. Ostermann ordnete die Regierungsstrukturen um und bildete das Kabinett der Minister (18. Oktober 1731), wo er das Sagen hatte. Er leitete die Reformen ein, die die Dauer des staatlichen Pflichtdienstes des Adels minderten und die Kopfsteuer senkten, was selbstverständlich auch den Bevölkerungszuwachs weiterbrachte. Ostermann förderte die Handels- und Industrieausbauinitiativen. Er befürwortete die allgemeine Alphabetisierung der Bevölkerung und die Schulpflicht.

Am 22. Februar 1732 wurde Heinrich Ostermann mit der Leitung des Ausschusses der Marine betraut. Zusammen mit dem Admiral Peter von Sievers (* 1674; † 1740) leite er die Reformen der Flotte und das Bauprogramm der neuen Kriegsschiffe ein. Von ihm wurde die erste Marinedoktrin des Imperiums der Rossen konzipiert, die den Grundstein für die zukünftige Militärerfolge gelegt hatte.

1734 wurde Heinrich Ostermann auch mit dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten betraut. Er erhob Einwände gegen die neuen verlustbringenden Militärunternehmen gegen das Osmanische Reich und schloss am 18. September 1739 den Frieden von Belgrad, auch um die neuen kriegerischen Ambitionen der Schweden lahmzulegen, die sich wieder zu einem Militärbündnis mit dem türkischen Sultan vereinigt hatten.

Als 1740 Ioann VI. (1740 – 1764), das erstgeborene Kind von Anton Ulrich d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern (* 1714; † 1774) und seiner Frau Anna Leopoldowna (eigentlich: Elisabeth Katharina Christine Herzogin zu Mecklenburg-Schwerin; * 1718; † 1746) im Alter von zwei Monaten zum Nachfolger der verstorbenen Imperatorin Anna I. inthronisiert wurde, behauptete Ostermann seine einflussreiche Stellung als Großadmiral.

Auguste Juliane von Mengden (* 1719; † 1787), deren Vorfahren ihr Stammgut in Dortmund-Mengede hatten und im 15 Jahrhundert nach Livland übersiedelten, war die erste Hofdame und Erzieherin des minderjährigen Imperators Ioann VI. Sie war eine Verwandte des Generalfeldmarschalls Burkhard Christoph von Münnich (* 1683; † 1767) und mit dem Diplomaten Moritz Karl Graf zu Lynar (* 1702; † 1768) verlobt. Nach dem Staatsstreich ging Juliane von Mengden freiwillig mit der imperatorischen Familie in die Verbannung. In der südlichen Grenzfestung Oranienburg (heute: Tschaplygin in der russischen Oblast Lipezk) verbrachte sie 23 Jahre. 1764 wurde es ihr erlaubt, sich in Livland niederzulassen.

37)
Auguste Juliane von Mengden mit dem Imperator Ioann VI.

Die Tochter von Kaiser Peter I. dem Großen, Elisabeth Petrowna (* 1709; † 1762), entthronte den Säugling und konnte die Macht an sich reißen. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern lehnte sich ihre Politik Frankreich an. Aufgrund ihrer deutschfeindlichen Politik ließ die neue Imperatorin Heinrich Ostermann 1741 verhaften. Unter den ersonnenen Anschuldigungen wurde Ostermann zur Hinrichtung durch das Rad verurteilt. Am 27. Januar 1742 wurde das Urteil direkt vor der Hinrichtung in lebenslängliche Verbannung nach Sibirien umgewandelt, wo Ostermann fünf Jahre später in Berjosowo starb.

Durch die frankreichfreundliche Imperatorin Elisabeth I. wurde die Mehrheit von hochrangigen deutschen Beamten, die die wichtigsten Ämter des Imperiums der Rossen inne hatten, entlastet. Jedoch, das Imperium brauchte die Kompetenzen der Deutschen. Beispielhaft sind in diesem Zusammenhang die Laufbahnen der Heinrich Ostermanns Kinder und ihrer Nachkommen. Der älteste Sohn, Graf Fjodor Andrejewitsch Ostermann (* 1723; † 1804), stieg 1773, trotz aller Schicksalswirren, zum Gouverneur von Moskau auf. Durch Heirat mit Anna Tolstaja (* 1732; † 1809) verschwägerte er sich mit dem verzweigten Adelsgeschlecht derer von Tolstoi. Die Ehe blieb jedoch kinderlos.


38)
Gouverneur von Moskau Graf Fjodor Andrejewitsch Ostermann
*1723; †1804

Der zweite Sohn, Graf Iwan Andrejewitsch Ostermann (* 1725; † 1811) war von 1773 bis 1796, wie sein Vater, Vizekanzler des Imperiums der Rossen und 1796 wurde er vom Imperator Paul I. (1754 – 1801) zum Kanzler (Großkanzler) ernannt.

39)
Großkanzler Graf Iwan Andrejewitsch Ostermann
*1725; †1811

Die Tochter von Heinrich Ostermann, Аnnа (*1724; †1769), verschwägerte sich, wie ihr Bruder Fjodor, durch ihre Heirat auch mit deren von Tolstoi und ihr Enkel (Urenkel von Heinrich Ostermann.), Generalleutnant Alexander Iwanowitsch Graf Ostermann-Tolstoi (* 1770; † 1857) war einer der tapfersten und befähigtsten Generäle der antinapoleonischen Kriege (1805 – 1813). Nach einer zeitweiligen Entlassung aus der Armee wurde er 1806 zum Gouverneur von Sankt-Petersburg ernannt. Alexander Graf Ostermann-Tolstoi wurde mehrmals verwundet und in der Schlacht bei Kulm (29. und 30. August 1813) verlor er seinen linken Arm. Anfang 1814 wurde er zum General-Adjutant des Imperators Alexander I. (*1777; † 1825) befördert. Dieses wichtige Vertrauensamt behielte Alexander Graf Ostermann-Tolstoi bis zum Tode des Imperators.

40)
Gouverneur von Sankt-Petersburg
Held der antinapoleonischen Kriege
General-Adjutant des Imperators Alexander I.
Alexander Iwanowitsch Graf Ostermann-Tolstoi
* 1770; † 1857

Auch wenig bekannte Verwanden vom Heinrich Johann Friedrich Grafen Ostermann zogen nach Imperium der Rossen nach. Sie haben sich mit den osteuropäischen Adelsgeschlechtern deren von Tolstoi, von Galitzin, von Tjuttschew und Familien einfacher Herkunft verschwägert. Eine Maria Ostermann kam nach Russland, „hatte einen Hauptmann Villeneuve geheiratet … Maria starb am 17. Januar 1755 in Tula.“41)

42)
Skulptur der Allerheiligen Kathedrale auf dem Hauptfriedhof von Tula

Der Sturz von Heinrich Ostermann hat für Historiker die Fragen bereitet, die bis heute unbeantwortet bleiben. War er einfach ein Opfer der für die damalige Epoche üblichen Hofintrigen oder irgendwelche andere einflussreiche Kräfte waren mit im Spiel gewesen? Anfang der 1740n wurde der französische Spionage- und Informationsdienst Secret du roi ‚Geheimnis des Königs‘ gegründet. Das Ziel war die Stabilisierung der europäischen Ordnung des Westfälischen Friedens, d.h. eine gegen das Deutsche Imperium, England und das Imperium der Rossen gerichtete Politik. Eine Allianz mit der Türkei, Polen, Schweden und Preußen sollte das Gleichgewicht zu diesen drei Mächten bilden. Es sollte eine Art Verteidigungsgemeinschaft, eine „confédération défensive“, geschmiedet werden, bei der Polen die Rolle eines Abschirmblockes spielen sollte. Um Schweden, Polen und die Türkei zu einem Bündnis zur Eindämmung des Imperiums der Rossen zu bewegen, ohne jedoch dies als offizielle Politik zu deklarieren, schwenkte Ludwig XV. (* 1710; † 1774; 1715 – 1774: König von Frankreich und Navarra) auf den Weg der Geheimdiplomatie ein.

43)
Denkmünze zum Andenken an Verdienste vom Heinrich Johann Friedrich Grafen Ostermann
1730

 

Фёдор Тютчев

 

Problème

С горы скатившись, камень лег в долине.
Как он упал? никто не знает ныне –
Сорвался он с вершины сам собой,
Иль был низринут волею чужой?
Столетье за столетьем пронеслося:
Никто еще не разрешил вопроса.
1833

Fjodor Tjuttschew
Übersetzung von Eric Boerner

Problème

Vom Berg herab ins Tal, ein großer Stein einst rollte.
Wie er herabgestürzt? Nicht einer weiß es heute –
Ob er in jener Höhe sich von selber löste,
Oder fremder Wille ihn zum Sturz genötigt?
Die Jahre gingen hin, Jahrhunderte verrinnen:
Die Antwort auf die Frage konnte keiner finden.
1833

  

Anmerkungen und Quellen:

1. Der Frieden von Nystad wurde am 10. September 1721 (30. August 1720) in der Ansiedlung Nystad (heute - finnische Stad Uusikaupunki) unterschrieben. Schweden musste die Provinzen Livland, Estland und Ingermanland sowie einen Teil Kareliens ans Zarentum Rus abtreten. Damit gewannen auch Wissenschaftler und Unternehmer des Deutschen Imperiums einen unmittelbaren Zugang zur Erschließung Eurasiens.

2. Livland (veraltet: Liefland, auch Eifland, latenisch: Livonia) ist die Bezeichnung für eine historische Landschaft im Baltikum. Der Name leitet sich ab vom finno-ugrischen Volksstamm der Liven. Livland im weiteren Sinne umfasst vollständig die Gebiete der heutigen Staaten Estland und Lettland im damaligen Meistertum Livland des Deutschordensstaates. Anders als in Preußen konnte sich der Deutsche Orden in Livland – auch nach der Schlacht bei Tannenberg (1410) – als der führende Landesherr durchsetzen. Diese Leistung verdankte der Orden den Landmeistern Johann Freytag von Loringhoven (* 1483; † 1494) und Wolter von Plettenberg (* 1494; † 1535). 1558 begann mit dem Einmarsch der Zarentruppen der Livländische Krieg; einige Landesteile blieben bis 1582 besetzt. Um sich gegen die Bedrohungen abzusichern, unterstellten sich Kurland und Livland, vertreten durch ihre Ritterschaften, 1561 polnischer Oberhoheit: aus Kurland wurde – unter polnischer Lehnshoheit – das weltliche Herzogtum Kurland, während das eigentliche Livland direkt zu Litauen kam und im späteren Staat Polen-Litauen eine Art Kondominium der beiden Staatsteile bildete. Estland und die Insel Ösel (Saaremaa) unterstellten sich aus demselben Grunde und ebenfalls vertreten durch ihre Ritterschaften dänischer bzw. schwedischer Oberhoheiten. 1629 kam der größte Teil Livlands durch Eroberungen Gustav II. Adolfs (* 1594; † 1632) zu Schweden; nur die Gegend um Dünaburg (Daugavpils) blieb – ebenso wie Kurland – polnisch und wurde „Polnisch Livland“ genannt. Nach dem Abschluss des Friedens von Nystad (10. September 1721), vereinigten sich die Gemeinwesen Livlands, vertreten durch die Livländische Ritterschaft, mit dem Zarentum Rus und das neue geopoltische Staatengebilde – das Imperium der Rossen (russisch: Российская Империя [rossijskaja imperija] – wurde gegründet.

3. Zarentum Rus (auch Zarentum der Rossen oder Rossia; (russisch: Царство Русское [zarstwo russkoje]) war die offizielle Bezeichnung des osteuropäischen Vielvölkerstaates zwischen 1547, als Iwan IV. sich zum Zaren krönen ließ, und 1721.

4. Die Großfürsten (bis 1359 Fürsten) von Moskau haben ihre Hegemonie in Osteuropa durchgesetzt. 1547 ließ sich der Großfürst von Moskau, Iwan (Ioann) IV., den biblischen Anschauungsstereotypen entsprechend, als Zar von Rus („царь и великій князь всеа Русіи“) krönen. Damit erhob Moskau Anspruch, die sämtlichen der zu jener Zeit bekannten Völker, Stämme und Staatsgebilden Osteuropas zu regieren und zu vertreten. Der neue Titel fußte auf die alttestamentliche Bezugnahme auf das mächtige Volk ROSCH – das „Volk des Nordens“ (Das Buch des Propheten Hesekiel; 38,2.3; 39,1), dessen Besitzungen sich nördlich des Heiligen Landes, d.h. Palästina, ausdehnten. Der neue Titel wurde durch den europäischen, insbesondere katholischen Adel nicht anerkannt. Die polnischen Nachbarn nannten die Zarenuntertanen русские [russkije], der in der Adjektivform vom Staatsnamen Rus abgeleitet worden ist. Daher auch im Deutschen: Russland, Russen. Diese U-Form ist im Laufe der Zeit zum ethnischen Selbstnamen geworden und ging allmählich aus der alttäglichen Umgangssprache in die Literatursprache als Ethnonym einer slawischsprachigen Bevölkerungsgruppe Osteuropas, über. 1721 stellten die Gründungsväter des Imperiums die biblische Korrektheit wieder her: Российская империя [rossijskaja imperija] Imperium der Rossen. Damit wurde unterstrichen, dass die Regierungsschicht des neuen Imperiums die deutlich deklarierte Absicht gehabt hatte, die unerschlossenen Territorien Eurasiens zu erschließen und die zahlreichen Völker, unabhängig von ihren ethnischen Hintergründen, zu vertreten. Und diese Entwürfe wurden in die Praxis umgesetzt. Es ist auch zu bemerken, dass seit den 1990n die Führung des neuen multinationalen Landes Россия [Rossija] den Ethnonym россиянин [rossijanin] als die Bezeichnung der Staatsangehörigkeit wieder belebt und in die offizielle Kommunikationssprache eingeführt hat.

5. Nachdem der siegreiche türkische Flottenführer Khair ad-Din (* um 1478; † 1546) im September 1538 die Flotte der christlichen Heiligen Liga in der Seeschlacht von Preveza vor der griechischen Küste besiegt und hierdurch die osmanische Vormachtstellung sowohl im östlichen als auch im westlichen Mittelmeer gesichert hatte, verbündete sich Frankreich mit dem Osmanischen Reich. Diese „unheilige Allianz“ wurde nie urkundlich fixiert, was auf die Furcht der Franzosen vor der propagandistischen Wirkung eines derartigen Vertrages im übrigen Abendland zurückzuführen ist. Später traten Polen-Litauen und Schweden faktisch diesem Bündnis, das sich gegen das Deutsche Imperium und das Zarentum Rus richtete, bei.

6. Krimtataren sind ein turksprachiges Volk, die sich deutlich von den Wolga-Ural-Tataren unterscheiden. Ihre Sprache steht sehr nahe dem Türkischen. Die Krimtataren waren für den intensiven Sklavenhandel bekannt, der den Hauptteil ihrer Wirtschaft ausmachte. Die reiche Beute an Menschen machten sie während ihrer häufigen Raubzüge bis nach Ostpreußen. Die Sklaven wurden anschließend auf die Krim gebracht, wo sie vor allem in das Osmanische Reich oder den Nahen Osten verkauft wurden. Die Historiker schätzten, dass vom 15. Jahrhundert bis zum frühen 18. Jahrhundert bis zu 3 Millionen Männer, Frauen und Kinder auf diese Weise aus den Grenzgebieten Osteuropas verschleppt und in die Sklaverei verkauft wurden.

7. Moskowien (auch Muskowien) war in Westeuropa die inoffizielle Bezeichnung für das Großfürstentum Moskau (1340–1547), das das Kernland der späteren osteuropäischen Staatlichkeit bildete. Das Wort Moskowien wurde ab dem 14. Jahrhundert bis zu Peter dem Großen in Europa auch als Synonym für das Zarentum Rus (s. 3) verwendet.

8. Molodi (Молоди) ist eine Ansiedlung in der Oblast Moskau. Sie liegt 40 km südlich von Moskau an der alten Simferopol-Chaussee, westlich der Europastraße 105.

9. Den osteuropäischen Chroniken abgeleiteten Einschätzungen des Autors nach, hatte die Umsiedlungspolitik Iwans IV. (* 1530; † 1584) im Laufe des Livländischen Krieges (1530 – 1584) mehrere tausend Deutschen und Ostbalten betroffen. 1588 dienten 82 „ausländische Krieger“ nur in einer mittelgroßen befestigten Verhaulinieansiedlung (s. 10) Dedilowo (ca. 200 km südöstlich von Moskau), so die Chronik (А.Н. Лепёхин: Фамилии служивых людей, проживавших в г. Дедилове в XVI - XVII вв.; Manuskript.)

10. Die Verhaulinie des Moskauer Staates (russisch: Засечная черта) bestand etwa vom 15. bis zum 18. Jahrhundert. Hierbei handelte es sich um ein aus speziellen Aufforstungen, Erdwällen und einem Ring aus Festungsstädten bestehendes System von Befestigungsanlagen, die an den südlichen und südöstlichen Grenzen des Moskauer Großfürstentums bzw. später des Zarentums Rus errichtet worden waren. Hierdurch sollten die häufigen Angriffe der Türken und ihrer Verbündeten effektiver abgewehrt werden.

11. Der Lange Türkenkrieg war ein von 1593 bis 1606 währender Krieg zwischen dem Osmanischen Reich und mehreren christlichen Staaten, insbesondere mit dem Deutschen Imperium. Der Krieg zeichnete sich vor allem durch jahrelange Stellungskämpfe aus und wurde deshalb auch Burgenkrieg genannt. Größere Gebietsgewinne konnte am Ende keiner der Konfliktbeteiligten erringen.

12. Laut fränkischen Chroniken lebte Rürik (* um 830; † um 879) im friesischen Dorestad und beherrschte einige Gebiete in Friesland und am Rhein. Er soll auch von 862 bis 879 über Nowgorod sowie das Land zwischen den Flüssen Newa und Oka geherrscht haben. Rürik gilt als Gründer des ersten osteuropäischen Reichs im Jahre 862 und damit als Begründer Russlands, der Ukraine und Weißrusslands. Nachdem der südliche und westliche Teil Osteuropas unter die katholisch geprägte litauische Herrschaft geriet, blieben die Rurikiden im Großfürstentum Moskau an der Macht. Die Moskauer Linie der Rurikiden gründete den zentralisierten osteuropäischen Staat – Zarentum Rus (Ros), worüber sie bis 1598 herrschten.

13. Der falsche Dimitri (auch „falscher Demetrius“ oder „Pseudo-Dimitri“, russisch: Лжедмитрий I.; * unbekannt; † 1606) war 1605 - 1606 als Dimitri II. für kurze Zeit russischer Zar. Dimitri behauptete, der jüngste Sohn Iwans IV., Dmitri Iwanowitsch, zu sein. Er zog unterstützt von polnisch-litauischen Truppen und im geheimen Einvernehmen mit Polenkönig Sigismund III. in Moskau ein und wurde am 21. Juli 1605 zum Zaren gekrönt. Seine Gegner behaupteten, er heiße in Wirklichkeit Grigori Otrepjew und sei ein Mönch aus dem Kloster Tschudow. Als geflohener Mönch sei er 1601 in Polen aufgetaucht und habe dort mit seinen abenteuerlichen Plänen und Absichten Unterstützung bei der polnischen Führung und der katholischen Kirche gefunden. Dmitri trat zum Katholizismus über. Er wurde am 17. Mai 1606 vom gegen die polnische Herrschaft aufgestiegenen Volk ermordet. Seine Leiche wurde verbrannt und die Asche soll aus einer Kanone in Richtung Polen verschossen worden sein.

14. Der zweite falsche Dimitri (Pseudodimitri II.; † 1610), war in den Jahren der Smuta ein Prätendent auf den russischen Zarenthron, der vorgab, der gerettete Pseudodimitri I. zu sein. Pseudodimitri II. war es gelungen, unzufriedene Bauern und Kosaken um sich zu sammeln. Unterstützt wurde er von intervenierenden polnischen Truppen. 1608 stieß Pseudodimitri II. nach Moskau vor. Im Moskauer Vorort Tuschino befand sich sein Hauptquartier, wo die polnischen Militärs das Sagen gehabt hatten. Aus diesem Grunde wurde Pseudodimitri II. auch „Schelm von Tuschino“ genannt. Der geflüchtete Usurpator wurde 1610 von Aufständischen getötet.

15.
Oleksa Haiworonski: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Crimean_Khanate_1600.gif
Krim-Khanat, Osmanisches Reich, Zarentum Rus und Polen-Litauen um 1600

16. Die Bojaren bildeten die herrschende Schicht der Großgrundbesitzer, die verpflichtet waren, dem Zaren als Beamte oder Offiziere zu dienen. Aus Bojaren war die Bojarenduma zusammengestellt, die höchste Verwaltungseinrichtung mit beratender und richterlicher Funktion. Nicht selten traten Bojarenduma und Zar als einheitliche Gewalt auf, etwa durch Erlass der Formel „Der Zar befahl und die Bojaren stimmten zu".

17. Nach dem Vertrag von Wyborg (1609) musste das Zarentum Rus der schwedischen Krone für den Beistand im Kampf gegen die Polen die Festung Karela auf der Karelischen Landenge abtreten.

18. Reval ist heute die estnische Hauptstadt Tallinn, dessen Name von ‚Taani-linn(a)‘ ‚Dänische Stadt‘ oder ‚Dänische Burg‘ (lateinisch: Castrum Danorum) abgeleitet ist. Der Name Reval rührt vom estnischen Namen des historischen Landkreises her, dessen Zentrum die Burg Rävälä war.

19. Graf Jakob Pontusson De La Gardie von Läckö wurde am 20. Juni 1583 in Reval (damals das Verwaltungszentrum des von Schweden besetzten Livland) geboren. Sein Vater Pontus De la Gardie wurde 1520 in der südfranzösischen Provinz Languedoc geboren. Languedoc war das Zentrum der religiösen Bewegung der Katharer. Die römisch-katholische Kirche erklärte sie zu Häretikern und ließ sie ausrotten. Seit 1565 stand Pontus De la Gardie in schwedischen Diensten…

20. Das Kloster der Dreifaltigkeit und des Heiligen Sergius (russisch: Свято-Троицкая Сергиева Лавра) ist ein russisch-orthodoxes Männerkloster in der rund 70 km nordöstlich von Moskau gelegenen Stadt Sergijew Possad. Es wurde um 1340 vom Heiligen Sergius von Radonesch gegründet und gilt seit Jahrhunderten als eines der bedeutendsten religiösen Zentren der russisch-orthodoxen Kirche.

21. Olli Niemitalo: Wikpedia; http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Russian_bread_and_salt.jpg?uselang=de; Änderungsstatus: am 10. November 2012 um 23:00 Uhr.

22. Heiliges Römisches Reich (lateinisch: Sacrum Romanum Imperium) war die offizielle Bezeichnung für den Herrschaftsbereich der römisch-deutschen Kaiser vom Mittelalter bis 1806. Der Name des Reiches leitet sich vom Anspruch der mittelalterlichen Herrscher ab, die Tradition des antiken Römischen Reiches fortzusetzen und die Herrschaft als Gottes heiligen Willen im christlichen Sinne zu legitimieren. Der Name Sacrum Imperium ist für 1157 und der Titel Sacrum Romanum Imperium für 1254 erstmals urkundlich belegt. Seit dem späten 15. Jahrhundert war auch der Zusatz „Deutscher Nation“ (lat. Nationis Germanicæ) üblich. Obwohl aufgrund seines übernationalen Charakters entwickelte sich das Reich nie zu einem Nationalstaat, sondern blieb ein monarchisch geführtes, ständisch (Stände sind gesellschaftliche Gruppen, die durch rechtliche Bestimmungen klar voneinander abgetrennt sind) geprägtes Gebilde, war seine Kultur nachhaltig von den Deutschen geprägt gewesen und die deutschen Teilstaaten hatten die entscheidende Rolle bei der Politikausrichtung gehabt. Aus diesem Grunde kann Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation berechtigt kurz als Deutsches Reich oder Deutsches Imperium bezeichnet werden.

23. Die Schlacht am Kahlenberg am 12. September 1683 beendete die Zweite Wiener Türkenbelagerung. Ein deutsch-polnisches Entsatzheer unter der Führung des polnischen Königs Johann III. Sobieski schlug die Osmanen. Die Niederlage bedeutete den Anfang vom Ende der türkischen Hegemonialpolitik.

24. Der Große Türkenkrieg zwischen der Heiligen Liga europäischer Mächte und dem Osmanischen Reich dauerte von 1683 bis 1699. Unter seinem Großwesir und Oberbefehlshaber Kara Mustafa versuchte das Osmanische Reich 1683 zum zweiten Mal (nach der Ersten Wiener Türkenbelagerung 1529), Wien zu erobern und das Tor nach Zentral- bzw. Westeuropa aufzustoßen. Das Scheitern dieser Belagerung führte zur Gegenoffensive, in deren Verlauf die Türken aus dem Gebiet des Königreichs Ungarn vertrieben wurden.

25. Die Heerführer rieten dem Zaren Peter I., der nach dem Sieg in der Schlacht bei Poltawa (1709) fest an sein Militärglück glaubte, zuerst ein Stützpunkt mit einem Versorgunglager am rechten Ufer des Dnestr und dann noch ein am Pruth aufzuschlagen. Gleichzeitig musste die massive Aufklärung der dünn bewohnten und wasserarmen Vorstoßregionen durchgeführt werden. Der Zar ignorierte das vernünftige Anraten seiner Generäle und ließ sich vom moldauischen Herrscher Dimitrie Cantemir (1673; † 1723) leiten, der ihn überzeugt hatte, dass die sich unter dem osmanischem Joch befindlichen Völker beim Vorstoß der Zarenarmee sich erheben würden. Das war die verlockende und falsche Einschätzung. Peter I. befahl ohne Vorbereitung, Flankensicherung und Rückendeckung ins Unbekannte aufzubrechen und ließ seine Armee in die Falle führen. Nur Dank dem Mut der Soldaten, Offiziere und Generäle, die, trotz dem Zarenwillen, leiteten die benötigten Sicherheitsmaßnahmen ein, gelang es die vollständige Katastrophe zu verhindern. An der Vorbereitung und am Feldzug nahmen u. a. die folgenden hochrangigen Militärs teil: Feldmarschall-Leutnant Freiherr Heinrich von der Goltz (* 1648; † 1725), General der Infanterie Adam Weide (* 1667 in Moskau; † 1720), Generalfeldzeugmeister Jacob Daniel Bruce (* 1669 in Moskau; † 1735) General der Kavallerie Janus von Oberstedt, General Baron Densberg, Generalleutnant Baron Osten, Generalleutnant Freiherr Bergholz, Generalleutnant von Nostitz, Brigadier Graf De Fries, Oberbefehlshaber der Zarentruppen in der Ukraine, General der Kavallerie Carl Ewald von Rönne (* 1663; † 1716).

26. Das Gerücht, dass Baltajı Mehmed Pascha mit 200.000 Goldrubeln bestochen wurde, wurde von Gegnern nach seinem Sturz verbreitet.

27. Stahlkocher: Wikipedia; http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bochum_Altes_Brauhaus.jpg; Änderungsstatus: 30 May 2013, at 07:21.

28. Scholle, Heinrich: Dortmund im Jahre 1610 - Maßstäbliche Rekonstruktion des Stadtbildes mit einem einführenden Beitrag von Norbert Reimann; Dortmund: Verlag des Historischen Vereins / Fr. Wilhelm Ruhfus 1987; S. 173.

29. Delere, Konrad: Stadtgymnasium Dortmund. Festschrift zur Fertigstellung des neuen Schulgebäudes: 1543 – 1959; Dortmund: Ruhfus 1959; S. 87.

30. Dobbelmann, Hanswalter und Löher, Jochen: 450 Jahre Stadtgymnasium Dortmund 1543–1993; Schriftenreihe des Westfälischen Schulmuseums Dortmund Band 2. Essen 1993; S. 94.

31. Harm und Edeltraud Klueting. Heinrich Graf Ostermann: von Bochum nach St. Petersburg 1687 bis 1747. Bochum, 1976, S. 19-20.

32. Das Augsburger Bekenntnis ist ein grundlegendes Bekenntnis der Lutheraner zu ihrem Glauben, das auch heute zu den verbindlichen Bekenntnisschriften der lutherischen Kirchen gehört. Es wurde am 25. Juni 1530 auf dem Reichstag zu Augsburg dargelegt.

33. Johann Georg Puschner der Ältere: Wikipedia; http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Georg_Puschner; Änderungsstatus: am 31. März 2013 um 05:07 Uhr.

34. Archiv des Autors

35. Die Festung Fredriksten ist eine Festung bei der Stadt Halden, Norwegen, die von 1665 bis 1928 Fredrikshald hieß. Während der schwedischen Belagerung der Festung im Herbst 1718 starb hier König Karl XII. von Schweden am 11. Dezember 1718. Die Belagerung von Frederikshald endete am 12. Januar 1719, als die schwedische Armee sich zurückzog. Der Rückzug endete für die Schweden in einem Desaster und wurde als Todesmarsch der Karoliner bekannt. Währenddessen zog ein so heftiger Schneesturm auf, dass 3.700 der 5.800 Mann starken Armee erfroren.

36. Jewgenij Rytschalowskij: Graf Ostermann und das Akademiemitglied Müller; in: Harm Klueting, Edeltraud Klueting: Heinrich Graf Ostermann. Von Bochum nach St. Petersburg, 1687 bis 1747; S. 219.

37. Autor ubekannt: Wikipedia; http://ru.wikipedia.org/wiki/Менгден_Юлиана_Магнусовна; Änderungsstatus: 03:32, 22 апреля 2013.

38. Maler unbekannt: Wikipedia; http://ru.wikipedia.org/wiki/Остерман,_Фёдор_Андреевич; Änderungsstatus: 14:13, 22 марта 2013.

39. Maler unbekannt: Wikipedia; http://ru.wikipedia.org/wiki/Остерман,_Иван_Андреевич; Änderungsstatus: 02:15, 14 марта 2013.

40. George Dawe: Wikipedia; http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ostermann-tolstoi.jpg; Änderungsstatus: 22 July 2012, at 22:26.

41. Jewgenij Rytschalowskij: Graf Ostermann und das Akademiemitglied Müller; in: Harm Klueting, Edeltraud Klueting: Heinrich Graf Ostermann. Von Bochum nach St. Petersburg, 1687 bis 1747; S. 224.

42. wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2d/Всехсвятский_кафедральный_собор_(3).JPG

43. Hedlinger, Johann Karl: Wikipedia: http://ru.wikipedia.org/wiki/Остерман,_Андрей_Иванович; Änderungsstatus: 07:06, 11 июля 2013.

Dortmund-Bodelschwingh / August                                               2013 Walther Friesen